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23.10.2025
Vormerkung
Ich schreibe hier nur über Käthe Kollwitz, meine urgroßmutter, und meine Mutter, Jutta Bohnke-Kollwitz. Natürlich ist das verkürzt. Zumindest müsste ich auch auf den Ehemann von Käthe Kollwitz eingehen, den Arzt Karl Kollwitz, meinen Urgroßvater. Derzeit komme ich aber nicht dazu, vielleicht später einmal.
Mein Verhältnis zu Käthe Kollwitz
- Einführung
„Käthe Kollwitz (geb. Schmidt; 8. Juli 1867 in Königsberg (Preußen), † 22. April 1945 in Moritzburg bei (Dresden) war eine deutsche Grafikerin, Malerin und Bildhauerin und zählt zu den bekanntesten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Mit ihren oft ernsten, teilweise erschreckend realistischen Lithografien, Radierungen, Kupferstichen, Holzschnitten und Plastiken, die auf persönlichen Lebensumständen und Erfahrungen basieren, entwickelte Kollwitz einen eigenständigen, Einflüsse von Expressionismus und Realismus integrierenden Kunststil.“
Das steht am Anfang des Wikipedia-Eintrags über Käthe Kollwitz. Und dann folgen umfangreiche Erläuterungen zu ihrem Leben, ihrem Werk, ihrer Wirkung usw.
Es hat nicht viel Sinn, dass ich hier noch einmal die Lebensgeschichte meiner Urgroßmutter Käthe Kollwitz aufschreibe. Es gibt sehr viel Literatur über Käthe Kollwitz, in der ihr Leben und ihr Werk unter den verschiedensten Gesichtspunkten nachzulesen ist.
Vor allem gibt es auch von meiner Mutter Jutta Bohnke-Kollwitz wichtige Essays über ihre Großmutter. Und meine Mutter war als Gründerin und langjährige Leiterin des Käthe Kollwitz Museums in Köln wirklich qualifiziert.
So will ich mich nur auf einige wenige persönliche Aspekte beschränken. Allerdings habe ich meine Urgroßmutter nicht persönlich kennengelernt, sie starb 1945, lange vor meiner Geburt.
- Mein Zugang zur Kunst von Käthe Kollwitz
Ich habe oder besser hatte – vom ästhetischen Gesichtspunkt – keinen spontanen Zugang zur der Kunst von Käthe Kollwitz. Meine Vorlieben in der Malerei sind eher der Impressionismus (z. B.) Monet, die Klassische Moderne (z. B. Feininger) oder der Surrealismus (z. B. Dali).
Aber von den Inhalten her sprechen mich die Arbeiten von Käthe Kollwitz sehr an. Z. B. die Sozialkritik in ihren Werken, die Darstellung des Leids der verarmten Arbeiterschaft. Auch ich finde die, bis heute bestehende, soziale Ungerechtigkeit eins der größten Probleme unserer Gesellschaft; und mir liegt eine Änderung der sozialen Ungerechtigkeit wie meiner Urgroßmutter sehr am Herzen – ich habe in meinen Blogs verschiedene Beiträge dazu geschrieben.
Auch das – bei Käthe Kollwitz immer wieder auftauchende – Thema des Todes, der Trauer und des psychischen Schmerzes ist mir sehr vertraut. Ich habe mich in verschiedenen Selbsterfahrungs-Gruppen und Therapien intensiv damit auseinandergesetzt. Von daher verstehe ich auch, dass Käthe Kollwitz einen Stil gewählt hat, der einem zunächst überdramatisch erscheinen mag, weil sie eben ihre Themen so deutlich und eindringlich ausdrücken wollte, dass die Botschaft wirklich herüberkam.
- Krieg
Sehr bekannt ist das Plakat von Käthe Kollwitz: „Nie wieder Krieg“, von 1924.
In einem Text des Kollwitz Museums Köln heißt es dazu: „Mit dem Plakat für die ›Sozialistische Arbeiterjugend‹ in Leipzig schafft Käthe Kollwitz das bis heute wohl bekannteste deutsche Anti-Kriegsplakat, das auch in der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre immer wieder genutzt wurde. Die Ursache für diese enorme Wirksamkeit ist sicher nicht nur im Formal-Ästhetischen, sondern mehr noch in der Art zu suchen, wie die Künstlerin das Thema bewältigt hat.“
In dieser Forderung „Nie wieder Krieg!“ fühle ich mich besonders Käthe Kollwitz verbunden. Ich sehe mit großer Sorge den wachsenden Militarismus gerade in der westlichen Welt, auch in Deutschland: insbesondere die ungebrochene Unterstützung von Israel (auch mit Waffen), trotz des entgrenzten genozidalen Krieges Israels gegen die Palästinenser, obwohl Israel – gerade mit dem Aushungern der Zivilbevölkerung – einen radikalen Zivilisationsbruch und Bruch des Menschen- und Völkerrechts begeht.
Ebenso das ständige Anheizen des Abwehrkrieges der Ukraine gegen Russland, gegen alle Vernunft und gegen alles Recht. Hier zeigt sich eine Geschichtsvergessenheit in Deutschland, die nicht mehr begreift, das Krieg das absolute Schrecklichste ist, dass es in jedem Fall zu verhindern oder zu beenden gilt.
Erschreckend ist zu beobachten, dass im westlichen Bündnis, vor allen in Oststaaten wie Polen und Litauen, eine Stimmung hochkommt, wie sie vor dem ersten Weltkrieg herrschte. Unglaublich, dass die Politiker und Journalisten hier weiter befeuern, anstatt radikal zu bremsen.
Käthe Kollwitz, deren ältester Sohn Peter im Ersten Weltkrieg fiel, und deren ältester Enkel, ebenfalls mit Namen „Peter“, im zweiten Weltkrieg fiel, kannte die Unmenschlichkeit des Krieges also nur zu gut aus ihrem eigenen Leben.
Gerade nach dem Tod ihres Sohnes (1914) wurde sie zur überzeugten und engagierten Pazifistin. Und auch wenn ich – bisher – glücklicherweise keine Kriegserfahrungen habe, fühle ich mich hier Käthe Kollwitz mit ihrer Forderung „Nie wieder Krieg“ sehr nahe.
Ich habe in vielen Essays und Blogeinträgen insbesondere das Kriegstreiben des Westens kritisiert. Das heiß nicht, dass sich der Osten oder Süden hier vorbildlich verhalten.
Aber gerade der Westen, der doch immer eine höhere Intelligenz, besondere Fortschrittlichkeit und eine höhere Moral für sich beansprucht, der immer seine „westlichen Werte“ herausstellt, müsste alles tun, um Kriege zu verhindern oder zu beenden – und das tut er leider in keinster Weise, und das gilt vor allem für Europa.
- Das tote Kind
Die Psychologin Alice Miller hat in ihrem Buch „Der gemiedene Schlüssel“ (1988) ein Kapitel über Käthe Kollwitz geschrieben; es heißt: „Die toten Engelchen der Mutter und die engagierten Werke der Tochter“.
Es gibt verschiedene Darstellungen von Käthe Kollwitz einer Mutter, die um ihr totes Kind trauert. Meistens wird das so interpretiert, dass Käthe Kollwitz sich hier selbst darstellt, wie sie um ihren im Krieg gefallenen Sohn Peter trauert.
Alice Miller gibt nun verschiedene psychologische Deutungen, wonach diese totes-Kind-Werke auf unbewusste Konflikte und Traumata von Käthe Kollwitz zurückgehen. Sie geht dabei davon aus, dass das Thema des toten Kindes Käthe Kollwitz schon lange vor dem Tod ihres Sohnes Peter beschäftigte und in ihren Werken thematisiert wurde; dabei beruft sie sich vor allem auf die Tagebücher von Käthe Kollwitz.
Erstens sagt Alice Miller: Käthe Kollwitz war ein sehr lebendiges und rebellisches Kind. Diese Emotionalität war aber in ihrem (freikirchlichen) Elternhaus ganz unerwünscht und wurde unterdrückt. Käthe Kollwitz stellt sich nach Alice Miller daher – unbewusst – selbst in der trauernden Mutter als diejenige da, die um ihr seelisch abgetötetes „inneres Kind“ trauert.
Zweitens sieht Alice Miller in der trauernden Mutter die Mutter von Käthe Kollwitz: Katharina Schmidt, geborene Rupp; laut Alice Miller starben drei der sechs Kinder an Meningitis – und natürlich trauerte die Mutter über den Verlust ihrer Kinder.
Dabei wurden diese Kinder auch idealisiert, als „Engelchen“. Vor allem der erst geborene Sohn Julius galt gewissermaßen als „heiliges Kind“, um das Käthe Kollwitz Mutter ihr Leben lang trauerte, wobei sie die Gefühle zulassen konnte, die ihr sonst verwehrt waren.
Somit besteht nach Alice Miller bei Käthe Kollwitz und übertragen auf ihre Mutter durchaus eine ambivalente Haltung zum Tod. Er ist einerseits das Monster, das ihr die Kinder raubt. Andererseits gibt es auch Darstellungen von Käthe Kollwitz, in denen der Tod als Freund, sogar als Geliebter begrüßt wird. Das kann man sich so vorstellen, dass die Kinder durch den Tod quasi „veredelt“ werden, von allen negativen und störenden Eigenschaften befreit werden.
Ich finde diese Theorien von Alice Miller haben durchaus eine gewisse Plausibilität, auch wenn sie teils spekulativ sind und ich ihnen nicht in allem folge: Aber gerade das Thema der Gefühlsverdrängung konnte ich als „Familientradition“ auch bei meiner Mutter erleben (wobei natürlich die Unterdrückung von Gefühlen in unserer Gesellschaft und Kultur weit verbreitet ist – gerade bei früheren Generationen).
Meine Mutter Jutta Bohnke-Kollwitz hat diese Thesen von Alice Miller strikt zurückgewiesen, sich geradezu darüber empört. Dazu muss man allerdings auch sagen: Meine Mutter, ausgewiesene Kollwitz Expertin, akzeptierte eigentlich nur eine klassische Kollwitz-Interpretation, wie sie die auch selbst vertrat, eine Deutung der Kunst von Käthe Kollwitz quasi alleine aus sich selbst.
Jegliche Vereinnahmung von Käthe Kollwitz, z. B. vom Feminismus oder von der „sozialistischen“ DDR oder umgekehrt von der westlichen BRD lehnte sie ab. Ich verstehe, dass meine Mutter eine werkfremde Beanspruchung von Käthe Kollwitz verhindern wollte, aber m.E. hat sie sich zur sehr neuen und alternativen Sichtweisen von Käthe Kollwitz verschlossen.
- Verehrung
In jedem Fall verehre ich Käthe Kollwitz: für ihren Mut, ihre Weitsicht und Weisheit, natürlich auch für ihre Arbeit als Malerin, Grafikerin und Bildhauerin. Und wie beschrieben teile ich ihre Sozialkritik und ihren Pazifismus.
Und ich würde mir wünschen, sie lebte noch und ich könnte mich mit ihr austauschen über die heutige Weltlage; und sie würde ihre deutliche Stimme erheben gegen den um sich greifenden Rüstungswahn und die permanente Kriegsrhetorik – mit viel mehr Wirkung, als ich sie habe.
Dabei sehe ich Käthe Kollwitz auch nicht unkritisch. Ich kann es nicht bis zum letzten beurteilen, aber anscheinend war sie doch in gewisser Weise egozentrisch und egoistisch, stellte ihre Kunst und ihre Selbstverwirklichung über die Familie und ihre Ehe.
Interessant ist ein Vergleich zwischen Käthe Kollwitz und meiner Mutter. Zunächst vom äußerlichen: Gerade im Alter sah meine Mutter ihrer Großmutter Käthe Kollwitz sehr ähnlich, während sie mit ihrer Mutter Ottilie fast gar keine Ähnlichkeit hatte.
Meine Mutter war einerseits mütterlich, zeigte aber doch auch eine gefühlsmäßige Distanz, die bei Konflikten in erhebliche Aggressivität umschlagen konnte. Ich halte für denkbar, dass hier eine Ähnlichkeit zum Verhalten von Käthe Kollwitz gegenüber ihren Kindern bestand.
Meine Mutter hatte schon als junge Frau ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Großmutter Käthe. Sie betreute Käthe Kollwitz in Moritzburg, wo die hinzog. Allerdings flüchtete meine Mutter vor dem Tod von Käthe Kollwitz aus Moritzburg, aus – berechtigter – Furcht vor der heranrückenden russischen Armee.
Ich will nicht sagen, dass meine Mutter ihre Großmutter im Stich ließ. Die greise Käthe Kollwitz war natürlich anders als meine Mutter kaum von russischen Übergriffen bedroht.
Manchmal denke ich aber, dass meine Mutter Schuldgefühle gegenüber ihrer Großmutter Käthe wegen ihres damaligen Verhaltens hatte; und dass sie auch deshalb einen großen Teil ihres Lebens der Darstellung von Käthe Kollwitz und ihrem Werk gewidmet hat und diese mit Vehemenz vor (anscheinend) unberechtigten, übergriffigen Deutungen verteidigte. (Über diesen letzten Abschnitt muss ich aber noch einmal recherchieren, ich betrachte meinen Text hier als vorläufig.)
- Tagebücher
Auf Grund dieser Hochachtung für Käthe Kollwitz habe ich auch gerne zugestimmt, als meine Mutter mich um Mithilfe bei der Publikation der Tagebücher von Käthe Kollwitz bat.
Und ich finde die Tagebücher sehr interessant, literarisch gut geschrieben, psychologisch und philosophisch sehr klug, teils berührend, und eben einfach auch wichtig für mich persönlich als einen Nachkommen, um auch meine familien -geschichtlichen Wurzeln besser kennen zu lernen.
Allerdings hatte ich auch immer ein gewisses Unbehagen bei den Tagebüchern. Denn es ist offensichtlich, dass Käthe Kollwitz die Tagebücher nur für sich selbst geschrieben hat und mit größter Wahrscheinlichkeit nicht gewollt hätte, dass jemand anderes sie liest.
Von daher war das Veröffentlichen der Tagebücher eine Verletzung der Intimität von Käthe Kollwitz. (Dies geschah allerdings nicht erst durch die Publikation meiner Mutter, sondern es gab vorher schon eine, allerdings gekürzte, Ausgabe.)
So gesehen hat mich verwundert, dass gerade meine Mutter die Tagebücher herausgab. Denn sie legte ihrerseits größten Wert auf ihre Privatsphäre, darauf, ihr privates Leben diskret zu halten.
Ich selbst bin ein regelmäßiger Tagebuchschreiber und empfände auch großes Unbehagen, wenn meine Tagebücher eventuell einmal – jedenfalls ohne meine vorherige Zustimmung – veröffentlicht würden.
Aber es ist wie gesagt ein Dilemma, ich verstehe auch, dass meine Mutter gerne die wichtigen und wertvollen Tagebuch-Niederschriften ihrer Großmutter der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte.